Schluss mit der Überforderung als Freelancer
„Heute ist Sonntag. Es ist 10:03 Uhr und ich liege noch im Bett. Ich wache neuerdings ohne Wecker auf, auch unter der Woche. Weil ich es darf, weil das vielleicht mein Vorteil ist in der neu erworbenen Selbstständigkeit. Mein Privileg. Ich liege hier noch eine Weile, ich kann jetzt noch nicht aufstehen. Nach Außen bin ich noch müde, ich bin ja auch gerade erst aufgewacht. Ein Blick nach Innen verrät: ich bin müde – einfach müde von meinen Gedanken. Die To-Do Liste in meinem Kopf ist schon wieder seitenlang. Heute ist Wochenende – perfekt, um ALLES abzuhaken, denke ich. Die Überforderung fängt also direkt nach dem Augenaufmachen an. Klasse. Da liege ich also: Mit Druck, am Wochenende. Sonntag ist der perfekte Tag, um alles, wofür ich unter der Woche keine Kraft hatte, abzuhaken. Das innerliche Feuer brennt. Dass das kein Flamme, sondern eine innerliche Verbrennung ist, sollte ich erst später lernen. Ich schleppe mich zur Kaffeemaschine, meine Muskeln schmerzen. Habe ich Yoga gemacht? Ich erinnere mich nicht. Mein Kopf dröhnt, da bahnt sich was an – der Kopfschmerz. Bitte nicht, ich habe doch heute so viel zu tun. Es vergehen weitere Stunden, in denen ich mich selber innerlich fertig mache, die Zeit rast. Meine Aufgaben vom Morgen hake ich dennoch nicht ab, ich lenke mich ab, mein schlechtes Gewissen wächst und wächst. Dass meine Ablenkungen, die ich fast schon in Trance ausführe, mir ein Zeichen geben wollen, blende ich aus. Dass ich wirklich mal abschalten sollte. Mittags bin ich also am Peak, der Druck ist jetzt genug, um wenigstens für ein par Stunden das zu machen, was ich in meinen Augen MÜSSTE. Ich hasse das. Wo ist die Leichtigkeit hin? Ich stelle auch heute wieder alles in Frage. Trinke den nächsten Kaffee, den ich wahrscheinlich gar nicht brauche, vergesse zu Essen, weil die Gedanken mich schon genug füttern. Ich bin ausgelaugt. Bis ich irgendwann morgens aufwache und mich erinnere, dass das nicht ich bin. Ich bin einfach überfordert.”
Dieser Teufelskreis, in dem ich meinem inneren Gefühl nicht nachgab, weil ich dachte es wäre eine Schwäche, brachte mich dazu mich von mir zu entfernen und alles, was mir eine innere Freude bereitet, zu untergraben. Die To-Do Liste wurde täglich länger, die Ideen sprudelten weiter, setzten sich aber nicht geduldig in die Warteschlange – die Energie verschwand im schwarzen Loch meiner Gedanken.
Im letzten Jahr habe ich so viel Veränderung erfahren, wie noch in keinem Jahr zuvor. Drei Umzüge mit Ortswechsel, einer davon länderübergreifend. Vom Strand in die Bibliothek zum Thesis schreiben, zurück zu Verpflichtungen, von der beständigen Sonne zurück ins kalte Wetter im Schwarzwald. Verlorene Liebe, gefundene Liebe, Liebe in so vielen Facetten. Der Abschluss meinen Studiums implizierte das Loslassen meines Gerüsts. Der Neuaufbau meines Gerüsts mit dem Schritt in die Selbstständigkeit. Zukunftsängste – will ich wirklich in die Selbstständigkeit? Wer bin ich? Worin liegen meine Stärken? Was ist, wenn ich scheiter? Die Freude und Neugier. Gleichzeitig: unglaubliche Geldsorgen. Und unglaublich viele Ideen. Wofür ich dankbar bin, ich bin eben ein Kreativkopf. Zwischen all den Erlebnissen, und ich würde sagen Abschnitten, lag keine Zeit, keine Ruhe, um das mal alles sacken zu lassen. Ich habe mir selbst nicht mehr zugehört. Ich habe meinem Nordstern hinterhergejagt. Der Nordstern vor mir, hinter mir rannten mir meine Gefühle hinterher und baten mich sich doch mal bitte damit auseinander zu setzen. Pustekuchen.
Mittlerweile schalte ich einen Gang zurück + gerade die Selbstständigkeit hat mich in meiner Anfangsphase sehr gefordert. Keine Frage, sie fordert mich immer noch jeden Tag. Ich bin froh, dass ich Familie und Freunde habe, die mich hier unterstützt haben. Die mir immer wieder eröffneten, dass das völlig in Ordnung ist überfordert zu sein. Und so fing an Lösungen zu finden. Damit mich die Überforderung nicht klein macht.
Mache Schluss mit der Überforderung
Wir wollen so viel, wir wollen weiter weiter weiter. Wir erlauben uns kein Stehenbleiben. Das schnelllebige digitale Zeitalter prägt uns – ein, meiner Meinung nach, doofes Symptom. Die Welt dreht sich manchmal schneller, als unser eigenes Tempo es zulässt.
Die Welt dreht sich manchmal schneller, als unser eigenes Tempo es zulässt.
Einen Gang runterschalten, bringt dich trotzdem weiter
Die Welt zeigt dir ein Tempo, das dich ohne es zu hinterfragen unter Druck setzen kann. Jeden Tag ist so viel anders, und du willst dich jeden Tag auch neu erfinden. Du willst so viel erreichen, und die Tasks steigern sich von 3 am Tag auf 10. Produktivsein heißt alles durchstreichen zu können. Dass dein Pensum aber unmenschlich hoch ist, ignorierst du. Denke daran, dass jeder ein anderes Tempo an den Tag legt und wir keine Roboter sind. Ja, ich finde sogar, dass unser natürliches Tempo von der Schnelligkeit der Technologie teils überschattet wird. Gerade das Reflektieren, das süße Nichtstun kann unsere Batterien so gut aufladen. Sodass einen Gang zurück, trotzdem vorwärts heißt. Mit der richtigen Balance zeigt sich sogar ein ganz wunderbarer Effekt: du schaffst in deiner produktiven Zeit viel mehr, weil du klarer und fokussierter sein kannst. Hierzu findet auch das Pareto-Prinzip Anklang: 80 % der Ergebnisse können mit 20 % des Gesamtaufwandes erreicht werden. Die verbleibenden 20 % der Ergebnisse benötigen mit 80 % die meiste Arbeit.
Zeit für dich, ist also immer auch heimliche Zeit für dein Business.
Alles im Blick – die Masterliste
Sortiere dich neu. Du bist überfordert von mehreren To-Do Listen? Ich sage dir: Mach noch eine, eine Richtige. Nicht alles ist im Jetzt ist relevant, manches rückt zu einem späteren Zeitpunkt in den Vordergrund, manche Aufgaben bauen aufeinander auf. Schwierig hier den Überblick zu behalten und zu priorisieren. Aber lass es mal raus. Löse die Wolke in deinem Kopf auf. Ich habe alle Tasks, die mir nur in den Sinn kamen, auf zwei Seiten aufgelistet. Danach markierte ich farblich: Business – Privat. Und jetzt? Jetzt ruht diese Liste, und auch die Tasks. Aber sobald mal Luft ist neben meinen täglichen Aufgaben und sobald die Zeit reif ist, nehme ich sie mir zur Hand und schaue, was ich umsetzen kann. Step by Step. Babysteps sind auch Steps.
Zu viele To-Do Listen? Mach noch eine“
Ängste identifizieren und umarmen
Überforderung und Ängste geben sich gerne die Hand. Vielleicht sind Ängste auch (immer) die Wurzel für unsere Überforderung als Freelancer. Aus der Angst vor dem Fall, entsteht ein Druck, damit dieser Worst Case auf keinen Fall eintreten darf. Daraus resultiert, dass diese Angst uns gerne in unserem Handeln lähmt. Du möchtest als Freelancer erfolgreich sein, also hast du Angst vor dem Scheitern. Das treibt dich auf der einen Seite an, auf der anderen aber setzt es dich unter immensen Druck. Es lässt sich viel besser ohne ständige Zukunftsangst arbeiten, also umarme deine Angst. Überlege dir welche Optionen du immer hast, wenn mal etwas schief gehen sollte. Dieser Gedanke nimmt dir die Angst und du kannst mit klarem Blick, ohne Druck weitermachen. Und auch hier passiert etwas interessantes: Du wirst produktiver sein, weil du entspannt bist.
Vielleicht sind Ängste die Wurzel unserer Überforderung?
You are not alone – Du bist Teil einer Gruppe
Was wir gerne mal vergessen, da draußen sind noch mehr denen es so geht. Du hast sicher je nach Situation den richtigen Kontakt an der Hand. Sei es ein offenes Ohr, einen Business Tipp oder Jemanden, der dich einfach auf andere Gedanken bringen kann. Wir sind nicht auf der Welt, um uns alleine durch zu kämpfen. Und auch der Weg zu deinem hohen Ziel auf der Freelancerleiter musst du nicht alleine erreichen. Wenn nötig, hole dir eine Meinung ein, frage nach Feedback oder suche dir Unterstützung. Wie? Entweder in deinem privaten Umfeld oder eine recht gute Alternative bieten Facebook-Gruppen oder Social Media.
Die Überforderung wird ein ständiger Begleiter in deiner Selbstständigkeit und in deinem Freelancer Dasein. Der Clue an der Sache ist vermutlich aber, wie wir im einzelnen damit umgehen zu wissen. Manchmal wirst du selbst die*derjenige sein, der*die sich in die Überforderung stürzt, weil du viele gute Ideen hast. Vielleicht müssen wir wieder lernen wie man sein Leben langsamer leben kann, wie man einen kühlen Kopf bewahren kann. Wir sind täglich Überforderung ausgesetzt, wir überschütten uns mit Informationen. Aber die innerliche Überforderung, die liegt in deinen Händen.